Vernunft

Warum ich ein Lobbyist der Vernunft bin?

„Das war schon immer so …“, „Da brauchen wir gar nicht drüber zu reden!“, „So ist das nun einmal!“ – so lange ich denken kann, wurde ich bei solchen und ähnlichen Sätzen hellhörig. Vielleicht auch ein wenig aufmüpfig. Auf jeden Fall skeptisch. Und beobachte ich heute meine Enkelkinder, so freue ich mich sehr, bei ihnen genau so eine Skepsis erkennen zu können: Nicht einfach die Dinge hinnehmen, sondern verstehen wollen. Nicht einfach dem Status quo gehorchen, sondern munter hinterfragen, ob das, was ist, denn wirklich so sein muss. Vielleicht könnten die Dinge ja auch ganz anders liegen. Ja, vielleicht …

So schwer auszuhalten

Ich sehe diese kindliche und gleichzeitig so erwachsene, weil reife Skepsis, in vielen für unsere Gesellschaft wichtigen Diskussionen in Gefahr. Zu schnell wird von etwas gesagt, es sei alternativlos … Ein „Ja, vielleicht“ scheint für viele Menschen schwierig auszuhalten zu sein. 

Und es stimmt ja auch: Wir brauchen Klarheit, Ungewissheit ist nicht ein Zustand, mit dem wir Menschen gut klar kommen. Die Frage ist allerdings: Wie erreichen wir diese Klarheit? Wie kommen wir dahin, dass wir wissen, was wir wollen und wie wir es erreichen? Für uns alleine, für die Menschen in unserem Umfeld, für unsere Gesellschaft?

Ich mache mir manchmal Sorgen, dass in unserer Gesellschaft auf die schwer auszuhaltende Ungewissheit und Unklarheit, zum Beispiel weil wir mit komplexen Veränderungen konfrontiert werden, zu oft und immer mehr mit rigorosem „So und so ist das und basta!“ reagiert wird. Mit Ideologie. Damit, dass wir uns, weil wir ein „Ja, vielleicht“ nicht aushalten, von anderen sagen lassen, was Sache ist.

Das Gesetz der Herde

Wenn andere uns sagen, was der Fall ist, was wir zu tun und zu denken und zu entscheiden haben, landen wir bei dem, was Gerd Ganteför „Das Gesetz der Herde“ nennt. Und da brauchen wir nur in unsere Vergangenheit zu schauen, was passiert, wenn dieses Gesetz der Herde das Sagen hat. Dann leben wir in keiner Welt mehr, in der Skepsis erlaubt wäre. In der wir zusammen und vernünftig um die besten Lösungen ringen, für unsere Gesellschaft, für unsere Unternehmen, für die uns nachfolgenden Generationen.

Es ist eine Welt, in der es keinen freien Wettbewerb mehr gibt, sondern nur Planwirtschaft und Hierarchie. Ein totalitäre Welt, in der jedes „Ja, vielleicht ist dies ja doch anders?“ per Regel, Gesetz, Machtdemonstration ausgemerzt wird.

Das Prinzip des freien Austauschs 

Eine solche Welt wünsche ich nicht uns, nicht mir, nicht meinen Kindern oder Enkeln. In einer solchen Welt herrscht nur noch Ideologie, keine Vernunft mehr. Da heißt es auf die bedeutende Frage „Warum ist etwas so?“ nur noch „Darum!“ Das mag ja für gestresste Eltern oder einen Großvater, der schon den ganzen Morgen mit kindlichen Fragen bombardiert wurde, schon einmal angehen. „Darum!“. Aber als allgemeine Haltung in unserer Gesellschaft kann ich das nicht akzeptieren.

Und deswegen bin ich „ein Lobbyist der Vernunft“: Weil ich denke, dass dieser Weg, der Weg der Skepsis, der Weg, Dinge in Frage zu stellen, uns als Menschen und als Menschheit weiterbringt. 

Deswegen schreibe ich Ihnen regelmäßig auf meinem Blog, um das weiterzubringen, was ich als vernünftig ansehe – um im Austausch mit Ihnen zu erfahren, ob Sie das auch so sehen. Um vielleicht gemeinsam mit Ihnen andere Wege als vernünftiger zu erkennen.

Ihr Wilfried Hahn