„I want you to panic!“ – über Vernunft in der Energiewende
„I want you to panic!“ – Die eindringliche und emotionale Rede von Greta Thunberg vor Politikern und Wirtschaftsbossen auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos 2019 machte Eindruck.
Ein halbes Jahr später wiederholte sie die Worte in ihrer Rede vor der UNO, den Vereinten Nationen, während des Klimagipfels in New York – vor der ganzen Welt.
„Ich will, dass ihr handelt, als wenn euer Haus brennt, denn das tut es,“ schrieb die damals sechszehnjährige Schwedin an jenem Freitag, dem 25. Januar 2019, den Mächtigen der Welt ins Stammbuch – und sie endet mit dem dramatischen Aufschrei:
„Ich will, dass ihr in Panik geratet, dass ihr die Angst spürt, die ich jeden Tag spüre!“
Greta Thunbergs Worte fielen auf fruchtbaren Boden. Leider aber ist Angst zwar ein guter Verkäufer, aber kein guter Ratgeber, wie Sie zum Beispiel an der Energiewende sehen können.
Wenig Raum für vernünftige Lösungen
Angst sorgt für Auflage und für Publikum. Sehr empfehlenswert finde ich in dieser Hinsicht zum Beispiel das Buch „Die Mechanismen der Skandalisierung“ des Kommunikationswissenschaftlers Hans Mathias Kepplinger. Kepplinger zeigt auf, wie unausgewogen die Medien agieren und auf Sensationen, Skandale, auch Angst schürende Berichterstattung setzen, um Auflage zu erzeugen und für Aufmerksamkeit zu sorgen.
Leider entsteht so eine Situation, die zwar für angstgetriebenen Aktivismus sorgt, aber wenig Raum für vernünftige Lösungen lässt.
Denn Angst, so hat es der Psychologe und Preisträger des Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften Daniel Kahnemann in seinem Buch „Schnelles Denken, langsames Denken“ sehr einleuchtend analysiert, aktiviert ein Denken, dass uns nur kurzfristig weiterhilft.
Auf lange Sicht bleiben wir Menschen mit dieser Art des Denkens jedoch unter den Möglichkeiten, die uns mit unserer Vernunft, mit der ganzen Power der Rationalität, zu der wir fähig sind, zur Verfügung stünden.
Dieses kurzfristige, schnelle Denken ist wichtig, wenn uns Angst und Panik signalisieren: Jetzt musst du rasch handeln, um zu überleben! Schnelles Denken ist extrem erfolgversprechend, wenn der Löwe vor Ihnen auftaucht, der dann leider doch kein Wildschwein war.
Eine Politik der Bestätigungsfehler
Das schnelle Denken führt uns zur schnellen Bewertung von Situationen. Das ist hilfreich in vielen Situationen, aber eben nicht in der Beurteilung von komplexen Sachverhalten.
Unter dem Einfluss von Angst beurteilen und übernehmen wir sehr schnell eine uns plausibel erscheinende Bewertung. Informationen, welche dann gegen die schnell gefasste Meinung sprechen, werden abgeblockt, nicht mehr wahrgenommen oder nicht mehr akzeptiert – um so der eigenen Angst kein Futter zu geben. Das nennt man dann „confirmation bias“.
Mit confirmation bias oder Bestätigungsfehler beschreibt Kahnemann das Phänomen, dass Menschen bei schnellem Denken dazu neigen, Informationen zu suchen, zu interpretieren und zu erinnern, die ihre bestehenden Überzeugungen oder Hypothesen bestätigen. Dabei vernachlässigen sie oft Informationen, die ihren Überzeugungen widersprechen könnten.
Genau das scheint mir den Politikern bei der Energiewende zu passieren: In einem Klima der – auch von ihnen selbst – geschürten Angst werden sie von den Umständen getrieben. Die Zeit drängt, der Druck steigt, dazu kommen persönliche Ängste, Sorgen um die Karriere, Sachzwänge. Und dann klammern sie sich an ihre bestehenden Überzeugungen, verharren bei ihren schnell gefassten Meinungen und blocken alles ab, was nicht dazu passt. Statt für alle nach der vernünftigsten besten Lösungen zu suchen, versteifen sie sich auf die Lösungen, die zu ihren eigenen Vorurteilen, ihrer eigenen Ideologie passt.
Wie eine hungrige Löwin
„I want you to panic!“ – ein kleines Mädchen (und all die Menschen um sie herum) scheint unsere politischen Entscheider zur Eile getrieben zu haben, indem sie wie eine hungrige Löwin, die für ihre Jungen sorgen will, vor ihren Höhlen auftauchte.
Leider sorgt diese Eile zu Maßnahmen, die nicht durchdacht sind. Angst und Panik führen zu Kurzschlussreaktionen, von denen es beim Energiethema nur so wimmelt.
Angst und Panik schalten das Denken aus, erlauben nicht, dass Sie und ich die für die Menschheit so zentrale Energieversorgung methodisch analysieren und unsere Möglichkeiten und Chancen sorgfältig differenzieren.
Ihr Wilfried Hahn